Jannik Schiller hat trotz seiner erst 22 Jahre schon einiges im Tennis erlebt: mit zehn Jahren regelmäßig früh morgens Training, als Lohn mit 14 Deutscher Jugendmeister im Team. Danach wurde der Erfolgsdruck immer größer, zu groß für Jannik. Heute will er deshalb als Trainer jungen Talenten dabei helfen, den Spaß am Tennis nie zu verlieren.

Früh übt sich

Im Alter von vier Jahren steht Jannik das erste Mal mit seinem Vater auf dem Tennisplatz, knapp zwei Jahre später nimmt er an ersten Wettbewerben teil. „Ein paar Punktspiele, aber noch total auf Spaßebene.“, erinnert er sich. Schnell zeigt sich sein Talent für den Sport und Schiller wechselt von seinem Stammverein Rot-Weiß Bad Salzdetfurth zum HTV Hildesheim. „Alleine schon wegen der besseren Anlage und Trainer, zum Beispiel ein Harry Neuner, der auch selber früher Nicolas Kiefer trainiert hat. Das war der beste Trainer, den ich mir vorstellen konnte hier in Hildesheim, und wahrscheinlich sogar in ganz Niedersachsen.“ Ab hier geht es nicht mehr nur um Spaß am Tennis, sondern auch um Erfolg. Mit 11 spielt Jannik bei Landes- und Deutschen Meisterschaften. „Mit 13,14 gingen die ersten internationalen Turniere los“, beschreibt er seinen weiteren Weg.

Der Schein trügt

Um sich mit den besten ihres Jahrgangs zu messen, auf Turnieren, die in ganz Europa auch unter der Woche stattfinden, kommt bei vielen Talenten schnell mal die Schule zu kurz. Nicht so bei Jannik, auch weil seine Eltern Lehrer sind und ihm vermitteln wie wichtig ein Bildungsabschluss ist. „Ich habe das gar nicht so sehr mitbekommen, ich war ja noch ziemlich klein. Ich denke aber schon, dass meine Mutter Lehrerin ist, hat schon sehr geholfen. Deswegen war für mich auch klar: Die Schule wird nicht vernachlässigt.“ Dazu kommt für das Tennistalent die glückliche Fügung, dass seine Schule ihn stets freistellt für die Turniere unter der Woche. „Ich hatte extremes Glück. Das Goethegymnasium hat mir das immer erlaubt“, weiß er seine Privilegien zu schätzen.“ Dennoch wird es zunehmend schwieriger Tennis und die Schule unter einen Hut zu bekommen, die Hausaufgaben müssen auf der Reise zum nächsten Turnier oder Training auch schonmal schnell im Auto erledigt werden. Denn kaum angekommen, wartet der Leistungsdruck auf ihn, vonseiten seiner Trainer aber auch sich selbst. „Bei Tennisturnieren gibt es eine feste Rangordnung und wenn du an Position Eins gesetzt bist, bist du automatisch der Favorit. Bei Bayern München teilen sich elf Leute die Favoritenrolle, beim Tennis trägst du die Last und den Erfolgsdruck alleine. Du stehst alleine da und redest dir ein: Gegen die Gegner kann ich nicht verlieren, ich darf nicht verlieren.“

Dem Druck standhalten

Zu dem sportlichen Druck kommt allmählich auch der finanzielle. Mit 14 teilt der Niedersachsentrainer seinen Eltern mit, dass seine Förderung bis zum Tennisprofi noch weitere 250.000 Euro verschlingen wird. „Das ist schon ein kranker Betrag. Den kriegst du zwar, wenn du Profi wirst, locker wieder raus, der Weg ist aber sehr steinig. Das war dann auch vom Kopf für mich nicht mehr möglich.“ Doch fallen in diese Zeit auch seine sportlich größten Erfolge. „Das war natürlich eine mega Erfahrung, da bin ich zweimaliger Landesmeister geworden, Viertelfinale im Einzel bei den Deutschen Meisterschaften. Dazu bei internationalen Turnieren bis ins Viertelfinale vorgestoßen, ich würde sagen das war mein bestes Jahr.“ Persönliches Highlight ist für ihn der Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Team, „da denke ich auch immer noch sehr gerne dran zurück.“ Bei einem Turnier in Wahlstedt muss er sich erst dem heutigen Topspieler Felix Auger-Aliassime aus Kanada geschlagen geben. „Auch mit einem Alexander Zverev trainieren zu dürfen, war schon was Besonderes.“ In jungen Jahren sei er mental auch noch sehr stark gewesen. „Wenn es entscheidend wurde habe ich die Punkte immer gemacht, aber je älter ich wurde, desto mehr hat es angefangen mental zu bröckeln.“

Der Ausstieg

Schiller wird es langsam aber sicher zu viel: der schulische Aufwand, die weiten Fahrten, das viele Training, der Druck. Einen genauen Punkt, an dem es ihm alles zu viel wurde, kann er im Nachhinein nicht ausmachen. „Ich konnte es mental einfach nicht mehr mit mir vereinbaren. Ich bin jedes Mal auf den Platz gegangen und hab mir eingeredet: Ich darf nicht verlieren! Ich habe mir so einen Druck gemacht, dass ich auf Turnieren gar nicht mehr spielen wollte. Tennis hat mich damals mental gebrochen! Er zieht mit 16 die Reißleine und hört mitten in der Saison mit dem Tennisspielen auf. Eine mutige Entscheidung, von der seine Trainer überrascht und enttäuscht sind, wofür Jannik heute Verständnis hat. Denn neben Geld haben die Trainer auch viel Zeit in seine Förderung gesteckt, „weil sie geglaubt haben, dass ich das außergewöhnliche Talent hatte, um es wirklich in die Weltspitze zu schaffen.

Aufbruch zu neuen Ufern

Vom Tennis wendet er sich erstmal vollständig ab, macht sein Abitur und probiert sich in anderen Sportarten. Seine Eltern spielen beide Volleyball, über die Zwischenstation MTV 48 Hildesheim kommt Jannik nach Giesen und findet den Spaß am Sport wieder. Vor zwei Jahren überredet ihn seine Schwester dann dazu es auch mal wieder mit dem Tennis zu probieren. „Als ich mit ihr auf dem Platz stand habe ich gemerkt, dass mir die Ballwechsel und Schläge schon sehr fehlen.“ Mit einer Freundin zusammen absolviert er einen Trainerlehrgang und findet Gefallen daran. Schiller, der mittlerweile verschiedene Jugend- und Herrenmannschaften trainiert, will auf diesem Weg seine Erfahrungen weitergeben. „Ich denke, dass ich relativ viele eindrückliche Erfahrungen gesammelt habe über die Jahre. Mittlerweile weiß ich ein bisschen besser, was für Kinder im Alter zwischen zehn und 15 gut ist und was nicht. „Im Gegensatz zu vielen seiner ehemaligen Trainer will er mit positiver Motivation Talente fördern. „Weil ich selber gemerkt habe, was es mit einem Kind macht, wenn es hart und unemotional trainiert wird.“