Tessa Blumenberg ist 17 Jahre alt und spielt aktuell in der 2. Bundesliga der Frauen. Die aus Borsum stammende Fußballerin startete ihre Karriere in ihrem Heimatverein, dem JFC Kaspel 09. Seit Sonntag darf sie sich U17 Europameisterin nennen. Im Interview sprachen wir mit ihr über die zurückliegende Europameisterschaft, aber auch über ihre bisherige Karriere und einiges mehr. Lest selbst:

SNHI: Tessa, seit Sonntag darfst du dich U17-Europameisterin nennen. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. Wie fühlt sich dieser Titelgewinn an und habt ihr als Team mit dem Gewinn des Turniers gerechnet?

Vielen Dank für die Glückwünsche! Ob wir mit dem Titel gerechnet haben, kann ich so gar nicht sagen. Ich glaube schon, dass wir mit Spanien zusammen zu den Favoriten gehört haben. Aber man muss natürlich sehen, dass wir neben Spanien auch andere starke Gegner hatten, wie beispielsweise in der Gruppe die Niederlande oder im Halbfinale mit Frankreich, die wir aber alle schlagen konnten. Wir wussten schon vor dem Turnier, dass wir eine besondere Mannschaft zusammen haben, weil wir ein echt guter Jahrgang sind und dass da viel möglich ist, wenn wir das Maximale aus uns herausholen.
Ich denke, dass wir das geschafft haben und dann auch relativ souverän bis ins Finale gezogen sind. Das war schlussendlich natürlich noch einmal was richtig Besonderes, auch wegen des späten Ausgleichtreffers (87. Minute, 2:2 durch Mara Alber, Anm. d. Red.) und des anschließenden Elfmeterschießens.

SNHI: Seit deiner Nominierung für den finalen EM-Kader ist einige Zeit vergangen. Wie hast du dich im Moment der Nominierung gefühlt und wie hast du von der Nominierung erfahren? Was hat sich seitdem vielleicht verändert?

Ich war natürlich sehr glücklich, als ich von der Nominierung erfahren habe. Die Nominierungen bekommen wir immer ungefähr zwei Wochen vor dem jeweiligen Lehrgang per E-Mail zugeschickt. Da sehen wir dann auch den ganzen Kader. Eigentlich hat sich seitdem für mich auch nicht so viel verändert, aber ich bin natürlich stolz, dabei gewesen sein zu dürfen und für mein Land eine Europameisterschaft gespielt zu haben. Dass wir am Ende dann den Titel gewonnen haben, hat das ganze natürlich noch gekrönt.

SNHI: Wie lief die Turniervorbereitung genau ab? Gab es ein Trainingslager oder beschränkte es sich auf die sogenannten Lehrgänge?

Eine ganz spezielle Vorbereitung hatten wir nicht. Wir machen beim DFB allgemein das ganze Jahr über Lehrgänge. Da gibt es dann beispielsweise welche, die direkt mit Länderspielen verbunden sind. Der erste Lehrgang mit der U17 war zum Beispiel in Schweden, wo wir auch Testspiele bestritten haben. Es gibt aber auch Lehrgänge ohne Länderspiele, bei denen man sich zeigen muss und sich für weitere Lehrgänge oder eben auch für Nominierungen zu Turnieren empfehlen kann. Die finden dann meistens in Deutschland statt.
Zusätzlich hatten wir für die EM zwei Qualifikationsrunden, eine in Portugal und eine im Kosovo. Da spielt man sich dann schon etwas ein, allerdings ändert sich der Kader auch stellenweise noch einmal, gerade jetzt zu Coronazeiten. Vor allem im Kosovo sind viele Spielerinnen aufgrund von Corona ausgefallen, dazu kommen natürlich auch noch Verletzungen. Deswegen kann man sich auch im gleichen Gefüge nicht so richtig einspielen, weil es im Hinblick auf den Kader immer ein bisschen wechselt.
Kurz vor dem Turnier haben wir uns dann in Frankfurt getroffen, um dort ein paar Tage gemeinsam zu trainieren. Sonst gab es dann natürlich noch ganz normale Trainingseinheiten in Bosnien, um sich vor den jeweiligen Spielen genau auf den kommenden Gegner vorzubereiten.

SNHI: Wie würdest du das Teamgefüge des U17-Europameister Kaders beschreiben? Kanntest du deine Mitspielerinnen und die Verantwortlichen bereits oder musste man sich erst einmal zurechtfinden?

Wie schon gesagt sind wir ein sehr besonderer Jahrgang beziehungsweise eine besondere Mannschaft. Nicht nur auf die Spielerinnen, sondern auch auf das Trainerteam und den Staff bezogen. Wir kennen uns alle schon seit dem Eintritt in die U17, wobei sich da auch immer wieder etwas ändert. So kannte ich eigentlich alle schon vor dem Turnier. Natürlich gibt es aber auch im Staff immer mal wieder Veränderungen, nicht jeder Physio ist bei jedem Lehrgang dabei. Was das Miteinander angeht waren wir durch die viele gemeinsame Zeit also schon sehr eingespielt. Deswegen habe ich nicht lange gebraucht, um mich zurechtzufinden. Natürlich braucht man ein paar Tage, um anzukommen, aber das spielt sich recht schnell ein.

SNHI: Gegen den Gastgeber aus Bosnien-Herzogowina durftest du von Beginn an ran. Zu dem Zeitpunkt wart ihr auch schon für die Hauptrunde qualifiziert. Wie aufgeregt warst du trotzdem noch, also du erfahren hast, dass du in der Startelf stehen wirst? Und wie ist das Spiel aus deiner Sicht gelaufen?

Wie du schon gesagt hast, waren wir zu dem Zeitpunkt bereits für die Hauptrunde qualifiziert, weil wir gegen die Niederlande und Dänemark zuvor schon gewonnen hatten. Es zählte auch nicht das Torverhältnis, sondern der direkte Vergleich. Bosnien stand vor dem Spiel auch schon als Gruppenletzter fest. Aber es ist natürlich trotzdem etwas Besonderes, in der Startelf zu stehen, egal gegen welchen Gegner. Vor allem dann bei einer EM für das eigene Land. Gegen den Gastgeber waren dann auch noch etwas mehr Zuschauer da als in den anderen Spielen, weil wir auch direkt in der Hauptstadt gespielt haben.

Ich war natürlich schon ein bisschen nervös, aber an sich bin ich nicht so der Typ, der vor Spielen richtig nervös wird. Ein EM-Spiel ist da aber doch etwas Anderes. Natürlich gucken da viele Menschen zu, weil alle Spiele ja auch live übertragen wurden.
Das Spiel an sich hat sich aus meiner Sicht recht schwierig gestaltet, da sich die bosnische Mannschaft schon extrem hinten reingestellt hat. Die standen eigentlich permanent mit elf Spielerinnen im oder um den eigenen Strafraum herum. Wir mussten dann versuchen, Lösungen zu finden, was uns insbesondere in der ersten Halbzeit schwergefallen ist. Ich selbst habe in der ersten Halbzeit einmal die Latte getroffen und war damit nicht die einzige. Das Glück war in den ersten 45 Minuten nicht unbedingt auf unserer Seite. Gott sei Dank konnten wir am Ende souverän mit 2:0 gewinnen – die bosnische Mannschaft hatte aber auch keine einzige Torchance.

SNHI: Im Finale gab es gegen Spanien einen echten Krimi. Nach 90 Minuten stand es 2:2 und es ging direkt ins Elfmeterschießen. Wie aufgeregt warst du in dem Moment und was hat eure Trainerin euch vielleicht noch mit auf den Weg gegeben?

Als es kurz vor Schluss 2:1 für Spanien stand, ist man natürlich schon sehr nervös geworden. Taktisch haben wir dann umgestellt, um offensiver agieren zu können. Wir haben die ganze Zeit daran geglaubt, dass wir noch ein Tor schießen werden und hätten, wenn nötig, bis zur letzten Sekunde dafür gekämpft. Zum Glück hat es dann mit dem Ausgleich relativ schnell geklappt und wir konnten in der 87. Minute ausgleichen (Torschützin zum 2:2 war Mara Alber, Anm. d. Red.).
Den Spanierinnen war dann anzumerken, dass sie schon ein bisschen gebrochen waren, weil sie sich wohl sehr sicher waren, dass sie gewinnen würden. Sie hatten auch das Spiel über viel Ballbesitz. Als dann aber der Ausgleich gefallen ist und wir das auch über die restliche Spielzeit gerettet haben, war uns eigentlich klar, dass wir das Elfmeterschießen auch gewinnen werden, weil wir einfach sehr gute Schützinnen in den Reihen hatten und auch unser Teamspirit kaum zu überbieten war. Unsere Trainerin hat vor dem Elfmeterschießen gesagt, dass wir einfach nur an uns glauben und uns für die heutige Leistung krönen sollen. Zudem hat sich ja auch eine unserer Mitspielerinnen in dem Spiel verletzt (Mathilde Janzen, Anm. d. Red.), sodass wir auch für sie und für das ganze Team um uns herum, für den Staff, das Trainerteam und auch unsere Zuschauer, unbedingt gewinnen wollten.

SNHI: Wenn du nicht gerade mit der Nationalmannschaft unterwegs bist, spielst du für die 2. Damenmannschaft des VfL Wolfsburg. Wie lief deine Karriere bisher, welche Stationen gab es und wie bist du schlussendlich in Wolfsburg gelandet?

Angefangen mit dem Fußballspielen habe ich bei uns im Dorfverein, beim JFC Kaspel 09. Da habe ich sehr lange sowohl in Jungen- als auch in Mädchenmannschaften gespielt. Irgendwann habe ich dann aber gemerkt, dass ich auch mal auf einem höheren Level spielen möchte. Dafür war ein Vereinswechsel notwendig. Zunächst habe ich deswegen für den TuS Grün-Weiß Himmelsthür gespielt und war parallel Teil des Jungen-Stützpunktes des NFV Hildesheim. Nach einiger Zeit kam dann eine Anfrage vom VFB Peine, die mich dort für ihre C-Junioren Landesligamannschaft einplanen wollten. Da habe ich dann zwei Jahre gespielt, hatte aber auch schon ein Zweitspielrecht für den VfL Wolfsburg.
Die haben mich in der Niedersachsenauswahl spielen sehen und wollten mich in meinem ersten Jahr in Peine für die U15-Juniorinnen von Wolfsburg verpflichten. Da habe ich allerdings kaum Spiele gemacht und nur ab und zu mal Trainingseinheiten vor Ort absolviert. In der Zeit habe ich also vor allem Spiele für die Landesligamannschaft vom VFB Peine gemacht, bis die Saison aufgrund von Corona abgebrochen worden ist.
Während des zweiten Jahres in Peine habe ich aber auch schon bei den U17-Juniorinnen des VfL Wolfsburg gespielt, also in der Bundesliga. Das kam mir auch sehr gelegen, weil die Saison von Peine deutlich eher abgebrochen wurde und ich dann noch ein paar Spiele in Wolfsburg absolvieren konnte, bis auch da die Saison abgebrochen wurde.
Vor meiner zweiten Saison in der U17 kam dann die Anfrage, ob ich in die U20, also die zweite Damenmannschaft des VfL Wolfsburg, wechseln würde. Diesen Schritt habe ich dann auch im letzten Sommer gemacht und bin dafür nach Wolfsburg gezogen. Hier gehe ich jetzt auch zur Schule und habe einfach deutlich kürzere Wege als vorher.

SNHI: Was sind deine sportlichen Ziele für die Zukunft?

Dadurch, dass wir mit der U17-Nationalmannschaft zu den drei besten Mannschaften in Europa gehören, haben wir uns für die Weltmeisterschaft in Indien qualifiziert, die im Oktober stattfindet. Dafür möchte ich mich natürlich empfehlen und im Herbst wieder zum Kader gehören.
Langfristig ist es mein Traum, auch mal in der A-Nationalmannschaft der Frauen zu spielen und Länderspiele im Damenbereich zu bestreiten. Zudem möchte ich irgendwann in der 1. Liga spielen, ob das in Deutschland oder im Ausland ist, weiß ich momentan noch nicht.
In der nächsten Saison gehe ich aber erst einmal in meine zweite Saison mit der zweiten Damenmannschaft des VfL Wolfsburg und möchte in der 2. Bundesliga möglichst gut abschneiden.

SNHI: Inwiefern unterstützt dich deine Familie bei deiner Fußballkarriere? Spielt sie für dich eine große Rolle auf dem Weg zum Profisport?

Meine Familie unterstützt mich sehr. Vor allem als ich noch zu Hause in Borsum gelebt habe, haben sie mich immer überall hingefahren. Ich musste regelmäßig zum Training nach Peine, zum Stützpunkttraining und war nebenbei auch im Mädchenstützpunkt in Barsinghausen. Dazu kamen auch die ersten Lehrgänge, zu denen ich jedes Mal hingebracht werden musste. Irgendwann kamen dann auch die Fahrten nach Wolfsburg dazu. Das waren sehr weite Wege und sehr viel Zeit, die meine Eltern dafür geopfert haben.
Aber auch meine Geschwister, die vielleicht ab und zu auch mal zurückstecken mussten, als ich irgendwo hingefahren werden musste – da bin ich einfach insgesamt sehr dankbar, dass mir das so ermöglich wurde.
Auch jetzt ist die Unterstützung immer noch riesig. Meine Eltern, Geschwister und mein Opa waren alle auch bei der EM vor Ort und haben mich unterstützt. Das war für mich etwas ganz Besonderes, dass sie sich die Zeit genommen haben und extra nach Sarajevo gekommen sind. Aber auch sonst sind meine Eltern fast bei jedem meiner Spiele.

SNHI: In den letzten Monaten wurde in Hildesheim auch über Mixed-Teams im Fußball gesprochen. Was hältst du davon? Kannst du dir vorstellen, dass es in Zukunft Mannschaften im regulären Spielbetrieb gibt, die sowohl Frauen als auch Männer im selben Team einsetzen?

An sich finde ich, dass das mit den Mixed-Teams eine sehr gute Idee ist, weil dort der Männer- und Frauenfußball zusammengebracht werden und somit Männer und Frauen gemeinsam Fußball spielen. Es ist ja immer noch dieselbe Sportart. Ich finde, dass sehr stark zwischen Männer- und Frauenfußball unterschieden wird. Deswegen halte ich es für eine gute Idee.
Allerdings glaube ich auch, dass die Umsetzung sehr schwierig wäre, weil Männer und Frauen doch relativ unterschiedliche körperliche Voraussetzungen haben. Was das fußballspezifisch Technische angeht, wäre es auf jeden Fall möglich. Die Idee an sich finde ich also sehr gut und ich bin gespannt, wie sich das in Zukunft weiterentwickelt.