Der gebürtige Hildesheimer Vincent Büchner lebt seit nunmehr vier Jahren seinen Traum: Er ist Handballprofi beim Bundesliga-Topteam TSV Hannover Burgdorf. Noch bis zur C-Jugend in Himmelsthür aktiv, feierte er sein Debüt 2017 ausgerechnet in Kiel. Ein Porträt.

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Im Vergleich zu vielen seiner heutigen Kollegen, ist Vincent Büchner erst relativ spät auf den Zug Richtung Profihandball aufgesprungen. Bis zur C-Jugend war er für den TuS Grün-Weiß Himmelsthür aktiv. Zwar wurde auch dort ambitioniert Handball gespielt, aber die Leistungszentren der Proficlubs bewegen sich nochmal auf einem ganz anderen, höheren Niveau. Deshalb wechselte der Linksaußen 2012 nach Burgdorf. „Ich wollte höher spielen„, kommentiert Büchner die Entscheidung. Sein Vater stellt den Kontakt nach Hannover her, ein Jahr später folgt das Angebot eines Internatsplatzes für den Hildesheimer. Er sagt zu, „ich wollte das unbedingt machen!„. Offenbar die richtige Wahl, in der Folge durchläuft der heute 22-jährige alle Jugendmannschaften des TSV und wird auch zur Jugendnationalmannschaft eingeladen. Um vom Nachwuchsspieler den Sprung in den Profibereich zu schaffen, braucht es neben Talent aber vor allem auch die Gelegenheit, sich auf höchstem Niveau beweisen zu können. Die erhält Büchner unter Mithilfe einer glücklichen Fügung. 

„Hättest du Lust mit nach Kiel zu fahren?“

Vorerst ist Büchner, der seit der A-Jugend nur noch Linksaußen spielt, natürlich kein fester Bestandteil des Bundesliga-Teams. Umso überraschter ist er, als Anfang September 2017 der damalige Geschäftsführer Benjamin Chatton auf ihn zukommt. „Hättest du Lust mit nach Kiel zu fahren? Wir haben einige Verletzte und du könntest mitfahren„, erinnert sich Vincent Büchner an das Gespräch. „Da war ich erstmal überwältigt, in Kiel wird der Handball gelebt!“ Zu dem überraschenden Auswärtssieg der Hannoveraner kann er zwar noch keinen Treffer beisteuern. Das eigene Bundesligadebüt bei einem Auswärtssieg in Kiel zu feiern, bedarf aber auch eigentlich keiner weiteren Krönung. Für ihn sei damit ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. „Wenn man sich das vorstellt, ist das ja einfach geil. Früher habe ich als kleiner Junge bei Eintracht Hildesheim in der Halle zugeschaut. Und jetzt stehe ich hier und vielleicht gucken mir jetzt kleine Kinder zu. Das ist schon verrückt„, gibt er Einblicke in seine Gedanken nach der Unterschrift seines ersten Profivertrages.

Angekommen

In der Folgesaison kommt Büchner regelmäßiger und länger zum Einsatz, die ersten erzielten Treffer folgen. Es läuft immer besser für ihn, er wird fester Bestandteil der Mannschaft. Belohnt wurde sein sportlicher Aufstieg kürzlich mit einer Vertragsverlängerung um zwei Jahre. „Ich bin mega glücklich hier zu stehen und weitere zwei Jahre hier bleiben zu können„, ist der Rechtshänder dankbar für das Vertrauen. Ob es ihn nicht auch gereizt habe sich mal etwas weiter von der vertrauten Umgebung in Hannover bzw. Hildesheim zu entfernen? „Letztendlich muss man schauen, wo man viel spielt. Und das tue ich in Hannover. Wenn du nicht spielst, kannst du dich nicht weiterentwickeln und dann stimmen die Abläufe in den entscheidenden Drucksituationen nicht.“ Der Wohlfühlfaktor und die Spielzeit spielen also eine wichtige Rolle. Der 22-Jährige konzentriert sich allerdings nicht nur auf Handball, zusätzlich betreibt er an einer Fernuni ein Marketing-Studium.

Eine neue Normalität

Ende März erwischt die „Recken“ des TSV Hannover-Burgdorf das Corona-Virus. Auch Büchner infiziert sich und hat länger mit dem Virus zu kämpfen. „Erst nach zwei Wochen konnte ich wieder ein bisschen lesen oder fernsehen. Vorher haben die Augen zu doll weh getan„, berichtet der Handball-Profi von seiner Infektion. Dennoch sei es auch eine lehrreiche und nicht nur schlechte Zeit gewesen. Gemeinsam mit seiner Freundin in der Wohnung gefangen, versucht er mehr abzuschalten und „die Zeit für Dinge zu nutzen, die im Alltag zu kurz kommen„. Der Kontakt mit der Familie hat gerade in dieser Zeit zugenommen. „Ich habe noch nie so häufig mit meiner Familie telefoniert wie in der Quarantäne Zeit.
Doch auch wenn Vincent mittlerweile wieder auf der Platte aktiv sein kann, fehlt ein auch für ihn wichtiger Faktor noch immer: die Fans. „Ich bin davon überzeugt, dass wir das ein oder andere Spiel mehr mit den Fans im Rücken gewonnen hätten„. Von der Stimmung hätten die Spiele momentan Testspielcharakter, „ein superkomisches Gefühl“.

Als sportliches Ziel hat sich Büchner mit den Recken die erneute Teilnahme an internationalen Wettbewerben vorgenommen. Die Reisen und Spiele in ganz Europa seien bisher schon ein Erlebnis wert gewesen. „Das würde ich jedem gönnen und kann ich nur zu raten„, deswegen hofft er auf noch viele Zugaben. Besonders prägend sei ein Heimspiel im Europacup gewesen. „Wir gehen 2:0 in Führung, ich mache die ersten beiden Tore und die Halle hat einfach gebrannt„, berichtet er begeistert. Dennoch ist er auch „froh, wenn Handball zuhause mal kein Thema ist„. Ganz einfach wird das nicht, denn sein Bruder Moritz spielt für die SG Börde selbst noch Handball. In Himmelsthür waren die beiden Brüder früher sogar Teamkollegen. „Ich wollte bei den Älteren dabei sein, vielleicht habe ich auch ein bisschen zu Moritz aufgesehen„, erinnert sich Vincent. Ohnehin blickt er gerne zurück, auch um sich vor Augen zu führen, wie weit er schon gekommen ist.

Ich erinnere mich an vieles gerne zurück und denke über die Vergangenheit nach. Auch wenn man das eigentlich nicht machen und in die Zukunft schauen soll. Aber aus jedem Ereignis nimmt man sportlich und persönlich was mit.