Gemischte Teams im Männerfußball: Wenn es nach NFV-Präsident Günter Distelrath geht, ist das schon bald Realität. Doch was halten die Betroffenen von der Idee? Wir haben uns bei Spielerinnen und Verantwortlichen im Kreis Hildesheim umgehört.

„Unsere Nachbarn aus der Niederlande“, nennt Distelrath als „ein gutes Beispiel, wie man für mehr Diversität in unserem Sport sorgen kann.“ Dort wurde vor Kurzem schon die Möglichkeit geschaffen, dass Frauen und Männer, im Amateurbereich zusammen in einer Mannschaft, am Pflichtspielbetrieb teilnehmen können. Ein entsprechender Antrag soll nun auch für Deutschland auf dem nächsten DFB-Bundestag gestellt werden. Jetzt schon eröffnet ist aber die Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Vorhabens. Würde die Regelung mehr Frauen einen besseren Zugang zum Fußball eröffnen oder dem Frauenfußball einen Bärendienst erweisen? 
Sara Kocak, Spielerin des 1.FC Sarstedt, findet die Idee „persönlich mega gut“. Des Weiteren sagt sie:

Ich denke natürlich muss die Frau ein gewisses Potenzial mitbringen und einen robusten Körper, aber ansonsten würde, denke ich, es dem Männerfußball, gerade in den unteren Klassen, mehr Zuschauer bringen.
Sara Kocak, Spielerin des 1.FC Sarstedt

„Frauen hätten bei den Männern keine Chance“

Deutlich kritischer sieht Lea Bey, Spielertrainerin der SG Bockenem/Ambergau, die Idee. „Ich bin diesbezüglich geteilter Meinung, würde mich aber nicht komplett dagegen aussprechen. Gerade für uns Frauen sehe ich das eher als Vorteil. Wir können an dem Zusammenspiel mit Männern nur lernen. Schon jetzt sieht man ‚die hat lange mit Jungs gespielt‘.
Es ist Fakt, das man Frauen nicht mit Männern vergleichen kann, die Dynamik bei Männern ist anatomisch schon ganz anders geformt. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier, wir Frauen würden automatisch mehr den Körper einbeziehen, wir würden die Laufwege erkennen, unser Spiel würde automatisch schneller werden. Jedoch sehe ich das Problem, dass die Hemmschwelle überhaupt mit dem Fußball anzufangen größer würde. Viele Frauen finden erst im mittleren Alter Interesse am Fußball. Hier glaube ich das die Anzahl deutlich sinken würde und dabei sind wir gerade auf einem guten Weg, auch im Landkreis Hildesheim, denn sonst könnte der FC Sarstedt keine neue Damenmannschaft gründen. Außerdem glaube ich das sogar viele Herren dadurch in ihrem Spiel gestört werden. Es ist einfach ein Unterschied ob da eine Frau steht oder eine männliche Person.“

Na klar wir Menschen sind alle gleich und wir Frauen kämpfen seit Jahren um mehr Aufmerksamkeit, aber bekommen wir die nur wenn wir mit den Männern auf eine Stufe gestellt werden? Also meine Meinung, es sollte nicht durchgesetzt werden.
Lea Bey, Spielertrainerin der SG Bockenem/Ambergau

Aufgrund der körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, lehnt auch Bianca Burandt, Spielerin des SSV Elze, den Vorstoß ab. „Ich halte davon gar nichts. Allein aufgrund der unterschiedlichen Spielweise im Herren- und Frauenfußball, sehe ich das schon kritisch. Die Herren spielen in der Regel viel körperbetonter und schneller. Letztlich ist es alles eine Sache der Gewohnheit und es mag auch Ausnahmen geben. Dennoch denke ich nicht, dass das funktionieren würde.“

Der Auffassung von Lea Bey und Bianca Burandt, schließt sich auch Janine Budde an. Sie hat in der Jugend, wie viele andere Mädels auch, selber bis zur B-Jugend in einer Jungenmannschaft gespielt und ist heute bei den Frauen vom PSV Hildesheim am Ball aktiv.
„Irgendwann habe ich schon gemerkt, dass ich mit meiner Kraft und Schnelligkeit den Jungs nicht mehr hinterher komme. Ich war damals zwar schon traurig, dass ich dann damit aufhören musste. Aber im Nachhinein musste man sich schon eingestehen, dass ich es körperlich einfach nicht mehr geschafft hätte. Von daher war es schon sinnvoll, da einen Cut zu machen und in die Damenmannschaft zu wechseln. Ich glaube auch, dass da ein Problem entstehen könnte. Frauen und Männer können körperlich einfach nicht miteinander verglichen werden. Außerdem geht es ja um den Spaß. Und ich bin mir persönlich nicht sicher, ob ich Spaß daran hätte mich mit einem Mann in einem Zweikampf zu messen. Da würde ich den Spaß am Fußball verlieren, weil der Sinn dahinter für mich dann fehlt.“
In eine ähnliche Richtung argumentieren die Frauen der SG Achtum/Einum: „Auf der einen Seite, hätte die eine oder andere, die lange Zeit in der Jugend mit Jungs in gespielt hat, es schön gefunden, wenn Sie sie zumindest die Wahl gehabt hätte, sich zwischen einem Frauenteam oder weiterhin dem Jungs-/ Männerteam entscheiden können. So wurde extern bestimmt, dass der gemeinsame Spaß an einer bestimmten Stelle endet. Andere finden diese Regelung unsinnig. Alleine schon aufgrund der körperlichen Konstitution würde immer ein Ungleichgewicht herrschen.“
Andreas Wiese, früher Coach der PSV-Frauen und heute Trainer in Bornum, positioniert sich ebenfalls mit deutlichen Worten gegen den Vorstoß Distelraths. 

Das wäre aus meiner Sicht der absolute Schwachsinn und würde den Frauenfußball komplett kaputt machen.
Andreas Wiese, ehemaliger Trainer der PSV-Frauen

Zudem sagte Wiese zu dem Thema: „Frauen hätten bei den Männern keine Chance allein von Athletik und dem Zweikampfverhalten. Ich habe mich schon über den Bericht von Herrn Distelrath aufgeregt. Außerdem gibt es auf vielen Sportanlagen gar nicht die Möglichkeit der Kabinen. Ich bin komplett gegen diesen Vorschlag.“ 

„Damit sollte man sich nicht zufrieden geben“

Sehr differenziert äußert sich Omar Fahmy, Trainer des Herren-Landesligisten SV Bavenstedt. Prinzipiell begrüßt er die, durch die Idee auslöste, Diskussion. Insgesamt hält er den Vorschlag aber für nicht weitreichend genug. „Ich finde diese Entscheidung erstmal wichtig, weil sie auch ein gesellschaftliches Signal ist und darüber gesprochen wird. Wenn man die Entwicklung betrachtet, wie schnell und gut sich der Frauenfußball entwickelt hat, dann muss das Thema Sichtbarkeit und Anerkennung für mich noch stärker im Vordergrund stehen. Ich halte nichts von Quoten, die jede Mannschaft dann vielleicht erfüllen müsste, vielmehr ist es eine Frage des Möglich-Machens und Angebote-Schaffens. Generell finde ich, dass es tiefergehender Entscheidungen bedarf, deutlich mehr als solcher Regelungen und die Anfänge müssen sportpolitisch erfolgen und da wird u.a. der Grundstein für Gleichberechtigung gelegt. Alles andere sind wichtige, aber eben nur kleine Entscheidungen und damit sollte man sich nicht zufrieden geben.“