Es waren zwei äußerst unterschiedliche Jahreshälften für den VfV Borussia 06 Hildesheim – so viel sei vorab gesagt.

Miserabler Start in die Rückrunde

Die ersten Wochen des Jahres 2019 wurden noch ruhig angegangen und die Spieler hielten sich mit individuellen Trainingseinheiten fit für die Restrunde. Zwölf Ligaspiele standen zu diesem Zeitpunkt noch aus und die Domstadtelf lag mit sieben Siegen, fünf Unentschieden, sechs Niederlagen und einem Torverhältnis von 22:22 auf dem 6. Tabellenplatz. Die Liga war von der Spielstärke her sehr ausgeglichen und mit nur fünf Punkten Abstand auf den sich auf einem Abstiegsrang befindenden MTV Gifhorn musste auch die untere Tabellenhälfte genauestens im Blick gehalten werden.

Nach einer ergebnistechnisch eher überschaubaren Vorbereitung mit intensiven Trainingseinheiten und zusätzlichen Team-Spirit-Maßahmen, wie einem Besuch im Escape-Room oder gemeinsamen Abendessen, wurde es Ende Februar dann wieder ernst. Größter Pluspunkt im Vergleich zur Hinrunde war wahrscheinlich die Rückkehr von Yannik Schulze – nach einem kurzen Intermezzo beim Regionalligisten Babelsberg 03, schloss sich Schulze wieder der Domstadtelf an.
Im ersten Pflichtspiel des neuen Jahres gegen den direkten Ligakonkurrenten TuS Bersenbrück ging der Schuss dann gleich ordentlich nach hinten los. Der VfV06 wirkte ideenlos und verunsichert und unterlag am Ende verdient mit 0:2 – Nils Zumbeel verhinderte durch tolle Paraden eine höhere Niederlage. Es folgte ein torloses Remis gegen den Tabellenführer Eintracht Northeim, das nach dem sang – und klanglosen Auftritt gegen Bersenbrück wie ein kleiner Sieg gefeiert wurde.
Der nasskalte Spätwinter passte den Hildesheimern so gar nicht. Geplant war, dass die nächsten drei Spiele gegen Teams, die allesamt hinter dem VfV06 in der Tabelle lagen, gewonnen werden sollten. Doch die Begegnungen gegen den VfL Oythe und den MTV Wolfenbüttel fielen den widrigen Witterungsverhältnis- sen zum Opfer und gegen den TP Uphusen setzte es abermals eine 0:2-Pleite. Wieder sah man eine Hildesheimer Mannschaft, die viel zu harmlos agierte und nicht recht wusste, mit welchen Mitteln sie dem Gegner gefährlich werden sollte. Im eine Woche später stattfindenden Derby Nummer Eins gegen den Titelaspiranten HSC Hannover zeigte der VfV06 zwar eine klare Leistungssteigerung, die 2:3-Niederlage brachte aber wieder nichts Zählbares ein. Hildesheim rutschte ab auf Platz zwölf und war nun punktgleich mit den Abstiegsplätzen – langsam aber sicher wurde es unruhig und auch der Unmut der Fans wurde lauter.

Es geht wieder bergauf und Duda wird vorgestellt

Dann endlich – ein gleißender Sonnenstrahl blitzte am sonst so dunklen Firmament auf. Nur sieben Tage später hieß es nämlich Derby Nummer Zwei, dieses Mal gegen den SV Arminia Hannover. In einer engen Partie, die eigentlich keinen Sieger verdient gehabt hätte, ging die Domstadtelf durch ein 1:0 als Sieger
vom Platz. Es war jetzt bereits Mitte April und dieser Erfolg war Balsam für die gescholtene VfV06-Seele. Nur schien es zunächst so, als ob die Euphorie nicht mitgenommen werden konnte – gegen den MTV Wolfenbüttel sprang wieder nur ein unansehnliches 0:0 heraus.

Wenig später (15. April) und somit zu einem eher unüblichen Zeitpunkt, mitten im Schlussspurt der Saison, wurde von Vereinsseite verkündet, dass man sich zur anstehenden Saison in der sportlichen Leitung neu aufstellen wolle und Benjamin Duda zum Juli 2019 neuer Cheftrainer des VfV06 werden würde. Thomas Siegel bot man zudem die Position des „Sportkoordinators Leistungsfußball“ an. Es schien eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu sein, denn nur zwei Tage später wurde bekannt, dass Thomas Siegel das ihm unterbreitete Angebot an- genommen hatte.
Über die Osterfeiertage standen dann zwei Nachholspiele an. Es waren die berühmt berüchtigten 6-Punkte-Spiele, denn beide Teams lagen nur knapp hinter dem VfV06. Und die Neuausrichtung auf administrativer Ebene schien auch gleich neuen Elan in die Hildesheimer Mannschaft gebracht zu haben. Zu- nächst wurde der MTV Wolfenbüttel verdient mit 1:0 geschlagen, dann musste der VfL Oythe die Willenskraft der wiedererstarkten Domstadtelf kennenlernen (2:0). Eine Woche später gewann Hildesheim dann auch noch mit 3:1 gegen die Reserve von Eintracht Braunschweig. Ein merklicher Ruck war durch die Mannschaft gegangen, der wohl aber auch maßgeblich von Yannik Schulzes Rückkehr ausgegangen war. Seitdem der Mittelfeldstratege wieder Teil des Teams war, holte der VfV06 13 Punkte aus fünf Spielen und kassierte nur ein Gegentor.

Der versöhnliche Saisonabschluss

Der Klassenerhalt war mittlerweile sicher und eigentlich hätte auch das Heimspiel gegen den BV Cloppenburg gewonnen werden müssen, doch der Ball wollte einfach nicht den Weg ins Tor finden. Das Manko der Mannschaft wurde hier wieder klar sichtbar, nämlich die teilweise mehr als mangelhafte Chancenauswertung.
Es war jetzt Anfang Mai und die ersten Kaderpersonalien klärten sich. Sehr früh wurde bekannt, dass Nils Zumbeel, Jane Zlatkov, Benni Plaschke, Niklas Rauch, Abdulmalik Abdul, Steffen Suckel, Tristan Heine und Andreas Hinrichsen ihre Verträge verlängern würden. Mit Maik Erdmann (BTSV II) und Leon Heesmann (Arminia Hannover) wurden zwei verheißungsvolle Neuzugänge verkündet. Zudem wurde der pfeilschnelle Cedric Jahnel aus der U19 hochgezogen und Bastian Breves als neuer Co-Trainer vorgestellt.
Im vorletzten Pflichtspiel der Saison 2018/2019 setzte es dann eine 1:4-Niederlage beim SC Spelle-Venhaus. Thomas Siegel hatte aufgrund vieler Verletzungssorgen nur noch eine Rumpftruppe parat, die sich über weite Teile der Begegnung mehr als ordentlich schlug und nach 90 Minuten vom Ergebnis her klar zu hoch verlor.
Vor dem Saisonfinale wurden dann Personalveränderungen verkündet, die aufhorchen ließen. Der Wechsel von Marcel Kohns (ausgebildet vom VfL Wolfsburg, RB Leipzig und Holstein Kiel) von Lupo Martini Wolfsburg zum VfV06, auch als Königstransfer beschrieben, wurde publik und zeigte erstmals auf, wie ambitioniert bereits auf die kommende Saison hingearbeitet wurde. Auch wurde bekannt, dass Urgestein Christoph Lange seine aktive Karriere nach der Saison beenden würde und das Spiel gegen Wunstorf sein aller letzter Auftritt im VfV06-Trikot bedeuten würde. Thomas Ströhl, Sofien Chahed, Luis Prior-Bautista, Cetin Erbek, Wlad Masljakov, Sascha Hingerl, Emir Hadzic und Nicolas Franzmann verließen den Verein nach dem letzten Saisonspiel (4:1 gegen den FC Wunstorf) ebenfalls.
Die schwache Phase nach der Winterpause entwickelte sich so doch noch zu einem versöhnlichen Saisonabschluss mit ei- nem 7. Platz in der Oberliga Niedersachsen. Auch das Torverhältnis konnte durch den Sieg im letzen Spiel noch positiv auf 36:35 gestellt werden. Alle Beteiligten waren wohl froh, dass nun endlich wieder Ruhe einkehren würde und man sich voll und ganz auf die neue Saison konzentrieren konnte.

Neustart und Vorbereitung auf die Saison 2019/2020

In der Zeit zwischen Ende Mai und Anfang bis Mitte Juni kam noch einmal Bewegung in die Personalrochade. Stürmer Adem Avci verlängerte seinen Kontrakt und mit Mohammed Baghdadi wurde ein spielstarker Linksverteidiger vom Regionalligisten Eintracht Norderstedt verpflichtet. Mit Dominik Franke und Thomas Sonntag wurden zwei altbekannte Säulen zurück an die Pottkuhle geholt – Franke kam von Eintracht Braunschweig II, Sonntag vom Regionalligisten Bischofswerdaer. Zudem wurde Flügelflitzer Hady El-Saleh vom Stadtrivalen SV Bavenstedt geholt und Rezzan Bilmez (zuvor SV Newroz Hildesheim) rundete die Kaderplanung schließlich ab. 

Am 22. Juni begann die offizielle Vorbereitung auf die neue Saison. Die knapp einmonatige Vorbereitung war genauestens durchdacht, beinhaltete viele Trainingseinheiten, eine ganze Reihe an Testspielen sowie ein kleines Team-Camp im Harz, welches vor allem die Chemie der Mannschaft verbessern sollte. In einer ganzen Reihe von Testspielen zeigte die Domstadtelf überwiegend starke Leistungen und ließ so schon erahnen, dass mit ihnen in dieser Saison zu rechnen sein wird.

Start nach Maß in die Saison

Dann war es endlich soweit und das erste Pflichtspiel der Saison 2019/2020 stand vor der Tür. Im Achtelfinale des Krombacher Pokals der Amateure ging es zum FC Eintracht Northeim. Zu diesem Zeitpunkt eine vermeintlich schwere Aufgabe, holte Northeim in der abgelaufenen Saison doch die Vizemeisterschaft in der Oberliga Niedersachsen und wäre fast in die Regionalliga Nord aufgestiegen. Von Beginn an war der VfV06 die bessere Mannschaft und schlug den Favoriten völlig verdient auf gegnerischem Gefilde mit 4:0 – ein erstes Ausrufezeichen, denn ein so stark aufspielendes Hildesheimer Team hatte wohl kaum noch jemand in Erinnerung.
In den ersten Tagen des Augusts empfing die Duda-Elf dann auch schon Eintracht Celle zum Ligaauftakt im Friedrich-Ebert-Stadion. 880 Fans sahen bei heißen Temperaturen eine Hildesheimer Mannschaft, die den Gast über die gesamte Spieldauer im Griff hatte und mit einem hochverdienten 2:1 die ersten drei Punkte der Saison 2019/2020 einfuhr. Nur eine Woche später stand bereits das nächste Heimspiel an, dieses Mal trug der selbsternannte Aufstiegskandidat FC Germania/Egestorf die Auswärtstrikots. Egestorf hatte der neuformierten Hildesheimer Mannschaft so gut wie nichts entgegenzusetzen und durch den 4:0-Sieg schob sich der VfV06 erstmals an die Tabellenspitze der Oberliga Niedersachsen. Es schien zu laufen, doch das am 3. Spieltag stattfindende Derby bei Arminia Hannover dämpfte die Euphorie erstmals. Zwar spielte Hildes- heim über weite Strecken einen guten Fußball und hätte sich ein Unentschieden redlich verdient gehabt, an diesem Nachmittag sollte es aber einfach nicht sein und so gewann Arminia das Derby mit 1:0.

Siegesserie nur durch Pokal-Pleite gestört

Doch Benjamin Duda schien die richtigen Worte nach dieser etwas unglücklichen Derby-Niederlage gefunden zu haben. Die Spiele gegen Lupo Martini Wolfsburg (1:0), den TB Uphusen (2:0) und den MTV Wolfenbüttel (3:0) wurden allesamt mit beherzten Leistungen gewonnen. Die Domstadtelf zeigte in den Auftritten viel Willensstärke und Einsatzbereitschaft und holte sich so die Tabellenführung zurück. Und auch die dreckigen Spiele bekam man zu eigenen Gunsten gedreht. Beim Aufsteiger aus Emden jubelten die Hildesheimer nach einem harterkämpften 2:1-Auswärtssieg und im Topspiel gegen den SC Spelle-Venhaus diktierte man den Gast nach Belieben (3:1 Sieg). Auch der zweite Auftritt innerhalb nur weniger Wochen bei Eintracht Northeim machte die mitgereisten Hildesheimer Fans happy (2:1 Sieg). Sechs Siege in Folge standen zu Buche, eine tolle Serie. Anfang Oktober war dann wieder Pokal angesagt – im Viertelfinale ging es gegen Eintracht Celle. Schon viele Jahre träumt man in Hildesheim davon, einmal DFB-Pokalatmosphäre erleben zu dürfen. Doch auch im kommenden Jahr soll es nicht so sein. In einem Pokalspiel, wie es im Bilderbuch steht, unterlag der in dieser Phase so siegessichere VfV06 dem Gast aus Celle mit 4:5. Nur eine Woche später stand bereits das nächste Top- spiel an und wie nach der Niederlage gegen Arminia Hannover brachte der Hildesheimer Chefcoach das Kunststück fertig, den Spielern das Negativereignis aus den Köpfen zu streichen. Extrem griffig im Pressing, hohe Laufbereitschaft, Kampf um jeden Zentimeter – all das zeigte die Domstadtelf beim 3:1 gegen den Heeslinger SC in Perfektion. Bei den Freien Turnern Braunschweig folgte nach sieben Ligasspielsiegen in Folge dann das erste Remis. Beim 1:1 lagen die Spielanteile klar auf Seiten der Hildesheimer, die die klare Überlegenheit am Ende aber nicht in einen Sieg ummünzen konnten. Dem kleinen Ausrutscher folgte ein 2:0-Sieg gegen den MTV Gifhorn und ein starker 4:1 Auswärtserfolg beim FC Hagen/Uthlede. Nach dem 14. Spieltag stand der VfV06 mit 37 Punkten an der Tabellen- spitze der Oberliga Niedersachsen, gefolgt von Atlas Delmenhorst, das zu diesem Zeitpunkt sechs Punkte zurücklag, aber auch noch ein Spiel weniger auf dem Konto hatte.

Vermeintlicher Rückschlag löst den Turbo aus

Am 15. Spieltag war es dann soweit, das große Duell zwischen Hildesheim als Spitzenreiter und Delmenhorst als Zweitplatziertem stand an. Vor rund 2.000 Zuschauern entwickelte sich eine packende Partie, in der die Domstadtelf zur Pause noch mit 1:0 führte, nach dem Schlusspfiff jedoch als Verlierer die Heimreise antreten musste. Angetrieben von einer lautstarken Kulisse schaffte Atlas das Kunststück und drehte in den letzten Minuten noch die Partie. Durch die Niederlage verlor Hildesheim an Boden und durch einen Sieg am darauffolgenden Spieltag übernahm Delmenhorst sogar vorübergehend den ersten Platz. Den VfV06 beeindruckte das alles aber sichtlich wenig und durch einen spektakulären 4:3-Sieg gegen den Drittplatzierten VfL Oldenburg schob sich Hildesheim wieder auf die Spitzenposition. Nur eine Woche später folgte ein denkwürdiges 5:0 beim TuS Bersenbrück, das den mitgereisten Fans sicherlich im Kopf bleiben wird. Und auch der Fakt, dass der Rhythmus durch den Ausfall des Spiels gegen Germania Egestorf unterbrochen wurde, wirkte sich auf die Formkurve des VfV06 nicht im Geringsten negativ aus – die letzten zwei Spiele des Jahres wurden zu einem Schaulauf. Erst nahm man mit 6:2 Revanche im Derby gegen Arminia Hannover, dann zeigte man Regionalliga-Absteiger Lupo Martini Wolfsburg durch ein 4:0-Auswärtssieg in fast schon gewohnter überragender Art und Weise die Grenzen auf. Zusätzlich verlor Atlas Delmenhorst die beiden letzten Partien des Jahres, weswegen die Domstadtelf bis mindestens Februar 2020 mit 8 Punkten Vorsprung als Ligaprimus von ganz oben grüßen wird.
Zusammenfassend war es für den VfV06 ein Jahr, welches mehr schlecht als recht begann, sich dann über einen versöhnlichen Saisonabschluss und damit verbundene Weichenstellung auf „Neuanfang“ hin zu einem vorher so nicht erwartbaren Feuerwerk in der zweiten Jahreshälfte entwickelte. Die Duda-Elf zeigte in fast all ihren Auftritten Passion, unbedingten Sieges- willen und attraktiven Fußball – die Spieler bekamen es hin, die Idee der Trainers auf den Platz zu bringen. Der Aufstieg scheint somit in greifbarer Nähe zu sein.